Montag, 15. Oktober 2018

1 Jahr Gefängnis für Jordi Sànchez und Jordi Cuixart: 1 Jahr Ungerechtigkeit

Jordi Sànchez, der ehemalige Präsident der Assemblea Nacional Catalana (ANC), und Jordi Cuixart, der Präsident von Òmnium Cultural (ÒC), befinden sich heute, am 16. Oktober 2018, seit einem Jahr in Untersuchungshaft und werden der Rebellion und Aufruhr beschuldigt, weil sie Freiheit und Demokratie verteidigt und Grundrechte wie den gewaltfreien Protest ausgeübt haben.
Sànchez und Cuixart sind derzeit Angeklagte in einem fehlerhaften Gerichtsverfahren, das Unregelmäßigkeiten bereits in der Ermittlungsphase aufweist. In der Tat ist die Untersuchungshaft selbst eine Anomalie, da sie nur als letztes Mittel eingesetzt werden darf, aber in diesem Fall mit der klaren Absicht angewandt wird, die Bürger zu ängstigen. Und dennoch befinden sie sich jetzt seit einem Jahr im Gefängnis, zuerst in Soto del Real, in Madrid, und seit letztem Juli in Lledoners, in der Nähe von Barcelona.
In der Tat hat gestern Amnesty International eine Mitteilung veröffentlicht, in der die „sofortige” Freilassung von Jordi Sànchez und Jordi Cuixart zum wiederholten Male gefordert wird. Die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft wird als „nicht vertretbar” angesehen, da beide das Recht hatten „friedliche Kundgebungen und Versammlungen einzuberufen, um das Referendum und die Unabhängigkeit Kataloniens einzufordern”.
Eine Reihe von falschen Anschuldigungen
Die Klage basiert auf einer erfundenen und nichtexistierenden Gewalt, die Sànchez und Cuixart angelastet wird, und die am 20. September 2017 stattgefunden haben soll, als spanische Ordnungskräfte die Wirtschaftsabteilung und andere Abteilungen der katalanischen Regierung (Generalitat) durchsuchten. Tausende von Demonstranten versammelten sich friedlich im Verlauf des Tages vor diesen Gebäuden, um darüber zu protestieren.
Trotz des nicht-gewalttätigen Verhaltens der Demonstranten hat der Staat einen erfundenen Diskurs über die Ereignisse formuliert, dessen Unwahrheit sich in Videos, Fotos und Zeitzeugenberichten leicht entlarven lässt. Diese sind in verschiedenen Dokumentarfilmen zusammengetragen worden und beweisen, dass beide Aktivisten sogar mit der Guardia Civil (Militärpolizei) verhandelt haben. Dabei ging es darum, der juristischen Ermittlungskommission, die sich im betroffenen Gebäude aufhielt, zu ermöglichen, das Gebäude ohne Zwischenfälle zu verlassen.
Dennoch hat man die Ermittlung auf dieser falschen Einschätzung gestützt, ein politisches Problem zu einer Justizangelegenheit gemacht und zugleich damit verdeutlicht, dass in Spanien keine Gewaltenteilung herrscht. Dies wirft ernsthafte Zweifel an der Qualität der spanischen Demokratie auf und lässt das Konzept der politischen Gefangenen im Europa des 21. Jahrhunderts wiederaufleben.
Die Bürgerschaft mobilisiert sich erneut
Der ANC fordert erneut die Einstellung der Klage, die Jordi Sànchez und Jordi Cuixart im Gefängnis hält. Um auf diese Ungerechtigkeit hinzuweisen und zu denunzieren werden die Bürgerinnen und Bürger heute wieder auf die Straße gehen. Die unabhängigkeitsbefürwortenden Organisationen wie der ANC und Òmnium haben eine Reihe von Kundgebungen ausgerufen. Die größte soll voraussichtlich um 20 Uhr auf der Plaça Catalunya im Herzen Barcelonas stattfinden.

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Montag, 26. März 2018

Deutsche Polizei verhaftet den amtierenden 130. Präsidenten der Generalitat de Catalunya

Der in demokratischen Wahlen gewählte und von Spanien widerrechtlich verfolgte 130. Präsident der Generalitat de Catalunya, Carles Puigdemont, wurde aufgrund eines von den spanischen Behörden ausgestellten europäischen Haftbefehls von der deutschen Polizei festgenommen, als er aus Dänemark kommend mit dem Auto die deutsche Grenze überquerte.

Bereits schon einmal wurde ein katalanischer Präsident, den Spanien ins Exil getrieben hatte, von Deutschen verhaftet: Der damalige Präsident der Generalitat de Catalunya, Lluís Companys i Jover, wurde im August 1940 von der Gestapo in der Nähe von Nantes verhaftet und an das mörderische Unrechtsregime des Generals Francisco Franco ausgeliefert. In Spanien wurde er gefoltert, von einem «Schnellgericht» in einem eintägigen Verfahren zum Tode verurteilt und am 15. Oktober 1940 durch ein Erschießungskommando des spanischen Staates ermordet. Ein Sprecher der spanischen Regierungspartei, Pablo Casado, kündigte im Oktober 2017 an, daß Carles Puigdemont dasselbe Schicksal ereilen werde wie einst Lluís Companys i Jover. Zwar gibt es in Spanien offiziell keine Todesstrafe, doch gilt es informierten Beobachtern der Lage als wahrscheinlich, daß Carles Puigdemont, wenn er einmal — unter welchem Vorwand auch immer — in ein spanisches Gefängnis eingeliefert werden würde, dieses aller Voraussicht nach nicht mehr lebend verlassen würde.

Jetzt ist die deutsche Justiz gefordert, aus der deutschen Vergangenheit zu lernen und die Umstände des vorliegenden Falls genau zu prüfen! Wer wie Carles Puigdemont als unschuldiger Bürger von einem Staat mit allen Mitteln verfolgt und diffamiert wird, um seine bürgerliche Existenz zu ruinieren und ihn für immer aus dem Verkehr zu ziehen, obwohl er lediglich auf friedlichem, politischem Wege im Rahmen der ihm zustehenden Menschenrechte und auch der spanischen Rechtsordnung für seine Ansichten eintrat und sich keiner erkennbaren Straftat schuldig gemacht hat, darf nicht an eine Justiz ausgeliefert werden, die sich längst als willkürliche Unrechtsjustiz in einem Staat ohne funktionierende Gewaltenteilung erwiesen hat.

Das Asylrecht für politisch Verfolgte ist in Deutschland ein Grundrecht, das durch das Grundgesetz garantiert wird. Wer wenn nicht Carles Puigdemont hätte Anspruch auf politisches Asyl in Deutschland! Wer auch immer in Deutschland für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte steht, darf in diesen Tagen nicht zögern, für die Freiheit des katalanischen Exilpräsidenten einzutreten! Zeigen wir der Welt, daß wir aus den Fehlern des Nationalsozialismus gelernt haben, und wiederholen wir nicht, was wir einst unter Hitler den Katalanen und ihrem damaligen Präsidenten antaten!

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Mittwoch, 20. Januar 2016

Arme Sezessionisten?

Leider werde ich den Eindruck nicht los, dass Herr Krieger diesen Artikel einfach nur bei einer der Regierungstreuen, ja sogar -hörigen Tageszeitungen wie 'La Razón', 'ABC' oder 'El Mundo' abgeschrieben hat. Dem widerspricht jedoch seine Behauptung, dass "der neue Wirtschaftsminister Oriol Junqueras ... auch "Außenminister" Kataloniens ist", denn in Madrid weiß man, dass der Mann, der vom neuen katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont mit der Betreuung der auswärtigen Angelegenheiten beauftragt wurde, tatsächlich Raúl Romeva heißt, der die Koalitionskandidatur 'Junts pel Sí' bei den Regionalwahlen vom 27. September anführte und auch gewann.

Wen kann es bei einer derart fehlerhaften Berichterstattung da noch wundern, dass der Autor den Madrider Vortrag, dass Katalonien ohne staatliche Unterstützung seine Rechnungen nicht bezahlen kann, ganz einfach 1:1 übernimmt, ohne den katalanischen Standpunkt zu dieser, ebenso falschen, Behauptung mit in seinen Bericht aufzunehmen. Seit Jahrzehnten bedient sich der spanische Staat in Katalonien mit seinen Steuern und lässt die Region am langen Arm verhungern. Während z.B. in Deutschland die bayerische Regionalregierung schon wegen einem Solidaritätsabschlag von 2% auf die Barrikaden geht, ist in Katalonien die Schlucht zwischen dem, was der Staat sich nimmt und dem, was er zurückgibt, jährlich zwischen 8% und 12% tief. Und leider werden mit diesem Geld nicht etwa die ärmeren Menschen im Land unterstützt, nein. Damit werden irgendwelche irrationale Wahnsinnsprojekte finanziert (Flughäfen, die niemand braucht, Hochgeschwindigkeitstrassen in die Wüste, u.s.w.), die keinen anderen Sinn haben, als den Madrider Regierungsbeamten die Wiederwahl zu garantieren.

Herzlichen Glückwunsch! 

Thomas Spieker

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Samstag, 17. Oktober 2015

In Andenken an Präsident Companys: zur Verteidigung der Demokratie





Heute, am 15. Oktober 2015, jährt sich zum 75. Mal der Tag, an dem das faschistische Regime General Francos den 123. Präsidenten der Generalitat von Katalonien, Lluís Companys i Jover, erschiessen liess.

Am Ende des spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) ging Präsident Companys in's Exil nach Frankreich. Drei Wochen nach dem Waffenstillstand von Compiègne, durch den Frankreich sich Nazideutschland ergab und einer Bitte der spanischen Botschaft folgend, setzte die Gestapo Präsident Companys fest. Companys wurde den spanischen Behörden ausgeliefert und nach Madrid gebracht, wo er gefoltert wurde. Danach wurde er in Barcelona, in der Festung Montjuïc, inhaftiert. Dort wurde er vor ein militärisches Standgericht gesetzt, ohne ordentlichen Prozess. Am 15. Oktober 1940, morgens um 6.30 Uhr, wurde er in der Festung Montjuïc hingerichtet.

Um die Tragweite dieses Verbrechens zu begreifen, muss man wissen, dass der Präsident der Generalitat der höchste institutionelle Vertreter Kataloniens ist. Companys war und ist der einzige demokratisch gewählte Präsident Europas, der von den Faschisten exekutiert wurde. In Andenken an Präsident Companys und an tausende von den Faschisten Ermordete, erklärte die katalanische Regierung den 15. Oktober zum Nationalen Gedenktag für die Opfer des Bürgerkriegs und der faschistischen Unterdrückung.

Zum 50. Jahrestag der Ermordung, am 15. Oktober 1990, schrieb der damalige Aussenminister, Hans-Dietrich Genscher, im Namen der Bundesrepublik Deutschland an den damaligen Präsidenten der Generalitat, Jordi Pujol i Soley:

“Der fünfzigste Jahrestag der Hinrichtung des Präsidenten der Generalitat von Katalonien, Lluís Companys i Jover, ruft uns eine der düstersten Perioden der Geschichte Deutschlands und Spaniens schmerzlich in Erinnerung. Lluís Companys, eines ihrer bekanntesten Opfer, steht für viele, die ihr Eintreten für Freiheit und Demokratie mit dem Leben bezahlten. Wir teilen Ihre Trauer um den zweiten Präsidenten der Generalitat de Catalunya. Wir sind uns der Beteiligung in deutschem Namen bewusst. Wir wissen uns mit Ihnen in der Überzeugung einig, dass die Ideale, für die Lluís Companys i Jover sein Leben gab, letztlich über die Macht der Gewalt gesiegt haben”.(*)

Es ist also schon 25 Jahre her, dass Deutschland für die Beteiligung der Gestapo an der Verhaftung Companys um Entschuldigung bat. Doch der spanische Staat, in dessen Namen Companys gefoltert und ermordet wurde, hat bis heute, nach 37 Jahren Demokratie, kein einziges Wort der Entschuldigung gefunden. Trotz wiederholter Anfragen der Regierung Kataloniens wurde Companys bis heute nicht rehabilitiert, die militärischen Gerichte jener Zeit wurden nicht für illegal, das Urteil nie für null und nichtig erklärt, und es wurde nie um Verzeihung gebeten.

Vor 75 Jahren wurde der damalige katalanische Präsident erschossen, den Worten Genschers foglend, weil er Freiheit und Demokratie verteidigte. Und auf den Tag genau 75 Jahre nach jenem Verbrechen ist der heutige katalanische Präsident Artur Mas vor die spanische Justiz bestellt worden, weil man ihm vorwirft, das demokratische Mittel der Stimmabgabe an den Urnen unterstützt zu haben, um eine Befragung der Katalanen über ihre politische Zukunft am 09.11.2014 zu ermöglichen. Dass die spanische Justiz gerade den 15. Oktober, den 75. Jahrestag von Companys Erschiessung, ausgewählt hat, ist kein Zufall. Es ist eine Demütigung der Katalanen und ihrer Institutionen.

Im Andenken an Präsident Companys und an die Ideale, die er verteidigte und für die er mit seinem Leben bezahlte, verteidigen wir Katalanen, über verschiedene politische Meinungen und Ideologien hinweg, die Demokratie und unsere Institutionen. Wir glauben, dass politische Konflikte nicht durch juristische Urteile gelöst werden können, sondern lediglich durch die freie Entscheidung der Bürger, manifestiert durch deren Stimmabgabe. Wir finden unvorstellbar, dass jemand bestraft werden soll, weil er die Aufstellung von Urnen erlaubt hat, die jenen Bürgern die Abgabe der Stimme ermöglichte.

Die spanische Justiz greift nicht nur die katalanische Unabhängigkeitsbewegung an. Indem sie die demokratischen Prozesse, die der Befragung des 9. Novembers vorrausgingen und die Befragung an sich in Frage stellt und kriminalisiert, greift sie die Souveränität Kataloniens an.

Für eine politische Zukunft Kataloniens und für einen Ausweg aus der Sackgasse des spanischen Staates mit seinen sichtbaren demokratischen Mängeln brauchen wir die Solidarität und die Fürsprache aller Bürger und Institutionen Europas.

15.10.2015 ANC-Deutschland.

* Originalschreiben im Zentralarchiv der "Department de Presidencia de la Generalitat".

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Montag, 12. Oktober 2015

Katalanische Präsident Lluís Companys

Am 15. Oktober 2008 veranstaltete die Menschenrechtsorganisation gemeinsam mitdem Büro des Vizepräsidenten der katalanischen Regierung in Barcelona ein Akt zur Wiedergutmachung und zu Gedenken an den Ex-Präsidenten Katalonien, Lluis Companys. Dabei waren unter Anderen die deutsche Konsulin Christine Gläser und der französische Konsul Pascal Brice anwesend. 

Für Pascal Brice war die Deportation Lluis Companys' eine deutsche Handlung auf französischem Territorium, die von den Historikern unter allen Umständen aufgeklärt und die Verantwortlichen herausgefunden werden müssten! Die deutsche Konsulin bat daraufhin noch einmal in aller Form um Entschuldigung, wenngleich, wie sie erinnerte, bereits auch Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl bei einem Treffen mit Katalonien Ex-Präsident Jordi Puyol ganz offiziell um Entschuldigung für dieses Verbrechen der Gestapo bat . 

Im Sommer 1940 wurde der damalige katalanische Präsident Lluis Companys in Frank-reich verhaftet, wo er sich zu jenem Zeitpunkt im Exil aufhielt. Kurze Zeit später über-ließen französische Behörden und die deutsche Gestapo Companys an Verantwortliche der Franco-Diktatur. Diese verurteilten ihn zum Tode und ermordeten ihn kurz darauf. Am vergangenen 15. Oktober war der 74. Jahrestag seine Hinrichtung. 


Noch immer wird auf eine offizielle Entschuldigung von der spanischen Regierung gewartet!

An der Veranstaltung nahm ebenfalls der damalige katalanische Vizepräsident Josep Lluis Carod Rovira teil 
und erklärte, dass nach wie vor ausstehe, dass endlich auch Spanien von offizieller Seite Stellung dazu nehme und die Verurteilung Companys' annulliere.

Am 15. Oktober 2009 erinnerte der Bearter katalanischen Regierung in einer außer-ordentlichen Versammlung daran, dass man die Aufhebung des Urteils gegen den Ex-Präsident gefordert habe, die zu seinem Tode führte und auch dem Generalstaatsanwalt Spaniens vorgetragen wurde.


"Wir haben gesagt, wir werden nicht ruhen und es gäbe auch keinerlei Grund dafür, ehe wir nicht die Aufhebung dieses Urteils erreicht haben!“ sagte daraufhin der 128. Präsident der katalanischen Regierung, Montilla! Er betonte ebenfalls, dass dies eine Geste sei, die die katalanische Regierung erwarte und ein letzter Schritt um auch das katalanischer Volk dies betreffend zufrieden zu stellen. In diesem Zuge erinnerte er daran, dass Lluis Companys starb, während er offiziell das Amt des katalanischen Präsidenten bekleidete und wurde einzig aus diesem Grunde von der Franco-Regierung hingerichtet.

Er fügte hinzu, das katalanische Volk habe dies verziehen, aber verzeihen solle man nicht mit vergessen verwechseln, es gäbe nach wie vor ein offenes Kapitel in der Ge-schichte, welches man mit Würde und Anstand schließen sollte!

So wäre, nach Aussage Montillas die Annullierung dieses Urteiles gegen den Ex-Präsident, eine ethische, politische und zu zugleich historisch Bestrebung und es gäbe nun eine rechtliche Chance dazu, die man nicht verstreichen lassen sollte.

Schließlich verwies er ebenfalls auf die politischen Anstrengungen vieler Personen und Organisationen und erinnerte an das Engagement so vieler Katalanen, die auf einen Moment wie diesen 70 Jahre gewartet hätten.

Mit dem Einverständnis de katalanischen Parlamentes hatte der Generalstaatsanwalt beim obersten spanischen Gericht beantragt, dass dieses Urteil überprüft werden solle.


Einen Antrag auf Revision eines solchen Urteils kann nur derVerurteilte selbst, dessen Verwandte oder der Staatsanwalt einreichen. Gemäß der Strafprozessordnung ist der oberste spanische Gerichtshof zuständig wenn es darum geht, angefochtene Urteile neu zu bewerten und wenn nötig aufzuheben.

Im Jahr 2010 stufte die spanische Regierung die Aufhebung des Urteils als "juristisch unmöglich" ein. Die spanische Vizepräsidentin María Teresa Fernández de la Vega, sagte dazu, man werde nicht darüber nachdenken, das Urteil gegen den katalanischen Ex-Präsidenten Lluis Companys zu annullieren.

Übersetzt von Daniel Kahl

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Mittwoch, 30. September 2015

Anklage gegen katalanischen Regierungschef

Direkt nach den plebiszitären Neuwahlen über die Unabhängigkeit und vor der Regierungsbildung kommt die spanische AnklageEs war abzusehen, dass Spanien den katalanischen Regierungschef Artur Mas und zwei weitere Mitglieder seiner bisherigen Regierung anklagen wird, weil dieser angeblich rechtswidrig seine Bevölkerung demokratisch und unverbindlich über die Unabhängigkeit befragen ließ. Man darf es wohl kaum als Zufall ansehen, dass Mas, seine ehemalige Vizepräsidentin Vizepräsidentin Joana Ortega und die frühere Bildungsministerin Irene Rigau ausgerechnet nach den . plebiszitären Neuwahlen am Sonntag zur Beschuldigtenvernehmung vorgeladen werden.

Nachdem sich die Unabhängigkeitsbewegung durchgesetzt hat, kommt nun die Rechnung für die unverbindliche Befragung, die von Spanien verboten worden war. 48% der Katalanen hatten sich eindeutig für die Unabhängigkeit, aber nur 39% eindeutig dagegen ausgesprochen haben. Der Rest der Stimmen ging fast ausschließlich an Formationen, die sich nicht festlegten. Das gilt für das Bündnis, in dem Podemos (Wir können es) antrat, oder für den früheren Bündnispartner von Mas CDC. Wie Podemos tritt aber auch die Demokratische Union (UDC) für das Selbstbestimmungsrecht ein, weshalb man die Stimmen für beide Formationen keiner Gruppe zuschlagen kann.

Allerdings fordern beide Formationen ein Referendum, um die Frage wie in Schottland zu klären. In Katalonien wurde ein Umweg über plebiszitäre Neuwahlen versucht, weil Spanien keinen anderen legalen Weg zuließ. So wurde ein geplantes Referendum im vergangenen Jahr in Rekordzeit vom Verfassungsgericht verboten. Doch die Katalanen ließen sich die Demokratie nicht nehmen und führten wenigstens eine unverbindliche Befragung durch. An ihr nahmen etwa die Hälfte der 5,5 Millionen Wahlberechtigte teil, von denen 81% für die Unabhängigkeit stimmte.

Dafür werden die drei Regierungsmitglieder am 15. Oktober vor Gericht gestellt. Die Regierung spricht von einem "politischen Prozess" und einer "demokratischen Anomalie". In einem angeblich demokratischen Staat werden sie also nun angeschuldigt, die Bevölkerung befragt und sich damit des "Ungehorsams" und möglicher anderer Delikte schuldig gemacht zu haben, die sich daraus ableiten. Dazu können Amtsanmaßung oder Unterschlagung öffentlicher Mittel kommen, die für die Durchführung der Befragung eingesetzt wurden.

Der Termin zur Vernehmung von Mas ist nicht zufällig gewählt und bedeutungsschwanger. Er muss kurz vor der Bildung der neuen Regierung vor Gericht antreten und das am 75. Jahrestag, als der katalanische Regierungschef Lluis Companys am 15. Oktober 1940 von den faschistischen Truppen der Putschisten unter Franco hingerichtet wurde. Anzumerken ist, dass die heute in Spanien regierende Volkspartei (PP) von Ministern der Franco-Diktatur gegründet wurde und sich nie vom Putsch und der Diktatur distanziert hat.

So wird von spanischer Seite weiter viel Öl in den Konflikt geschüttet. Das liegt ganz auf der Linie, dass die postfaschistische PP stets versucht, die Probleme im Land über Repression zu lösen. Doch die Repression wird die Bevölkerung, die sich längst auf den Weg in die Unabhängigkeit gemacht hat, nicht mehr bremsen können. Unter den Zweiflern werden so neue Anhänger geschaffen, genau das ist auch die Verbreiterung der Basis, die der linksradikalen CUP vorschwebt. Man darf gespannt sein, ob sich die Anklage auf die Regierungsbildung auswirkt. Denn die CUP lehnt Mas als neuen Regierungschef ab, wie ihr Sprecher Quim Arrufat im Telepolis-Gespräch sehr deutlich dargelegt hat.

Die CUP könnte nun – aus Solidarität mit den Angeschuldigten – ihn doch als Regierungschef akzeptieren, um vor der internationalen Öffentlichkeit zu zeigen, dass hier ein demokratisch gewählter Regierungschef für eine rein demokratische Prozedur abgeurteilt wird. Neben Haftstrafen ist mit einem Berufsverbot bei einer Verurteilung zu rechnen, womit Mas ohnehin aus dem Amt scheiden würde. Im Gegenzug müsste die katalanische Regierung sofort den "Aktionsplan" gegen Hunger und Armut umsetzen, Zwangsräumungen stoppen und im Unabhängigkeitsprozess aufs Gas treten, wie es die CUP fordert, von der die neue Regierung abhängig ist.


Ralf Streck
Quelle

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Montag, 28. September 2015

Absolute Mehrheit für Befürworter der Unabhängigkeit

Die Separatisten sind aus der als historisch eingestuften Wahl in Katalonien offensichtlich als Sieger hervorgegangen. Laut ersten Hochrechnungen erreichen sie die absolute Mehrheit. Wie die Behörden nach Auszählung von 64 Prozent der Stimmen am Sonntagabend mitteilten, kommt die separatistische Allianz Junts pel Sí (Gemeinsam fürs Ja) des katalanische Ministerpräsidenten Artur Mas auf 62 Sitze. Die linksradikale Unabhängigkeitsbewegung CUP errang zehn Sitze.

Mit diesen 72 der 135 Sitze im Parlament stellen beide gemeinsam künftig die absolute Mehrheit. Den Teilergebnissen zufolge erreichten beide Bündnisse zusammen 47,3 % der Stimmen.
Mas hatte die vorgezogene Wahl als ein Plebiszit über eine Abspaltung der Region von Spanien angesetzt. Er hatte angekündigt, Katalonien in 18 Monaten zur Unabhängigkeit zu führen, wenn seine Bewegung die absolute Mehrheit erreicht. CUP-Kandidat Antonio Baños schrieb nach Veröffentlichung der Prognose auf Twitter, seine Partei sei mit den vorläufigen Ergebnissen zufrieden und bereit, einen Unabhängigkeitsvorstoß zu unternehmen.
Die konservative Madrider Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte wiederholt angekündigt, eine Abspaltung Kataloniens unter keinen Umständen zuzulassen. Katalonien hatte sich bereits 2006 zur Nation erklärt. Diesen Status erkannte das spanische Verfassungsgericht der Region 2010 wieder ab. Im November 2014 klagte die Regierung des Landes vor dem Verfassungsgericht gegen ein Unabhängigkeitsreferendum und konnte dieses so verhindern.
Katalonien steuert fast ein Fünftel zur spanischen Wirtschaftsleistung bei und bekommt nach Ansicht von Kritikern dafür nicht genug von der Regierung zurück. In der Region im Nordosten des Landes leben rund 7,5 Millionen Menschen. Spanien erholt sich gerade erst langsam wieder von einer tiefen wirtschaftlichen Krise, die dem Land über Jahre hinweg Arbeitslosenraten von über 22 Prozent bescherte.

Quelle 

Together for Yes (Pro independence) 1,620,697 39,54 % 62 MPs
Citizens (Unionists, Center)                 734,538 17,92 % 25 MPs
Socialist Party (Unionists, Left)           521.916 12,73 % 16 MPs
Catalonia, We Can (Self-determination) 366.274  8,94 % 11 MPs
People's Party (Unionists, Right)          348.350  8,50 % 11 MPs
Popular Unity Candidacy (Pro indep.)   336.292  8,21 % 10 MPs
Democratic Union (Self-determination) 102.835  2,51 % 0 MPs

Turnout: 77,44 %

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Samstag, 26. September 2015

Katalonien bricht mit Spanien





Ursprünglich hatte sich das neue Spanien nach dem Tod Francos die deutsche und die österreichische Verfassung zum Modell nehmen wollen, um das zentralistische, von Madrid aus regierte Königreich zu demokratisieren und zu dezentralisieren. Im Prinzip hätte Spanien in vier Bundesländer aufgeteilt werden müssen, um das Grundproblem Spaniens zu lösen, wie nämlich ein respektvolles Zusammenleben von Katalanen, Basken, Galiciern und Spaniern oder Kastiliern (mit Einschluss der Andalusier) in einem einzigen Staat möglich sei.


Der erste gravierende Fehler war, dass man die deutsche Bundesländerlösung falsch adaptierte und glaubte, statt vier über Jahrhunderte historisch gewachsene Länderteile zu ihrem Recht kommen zu lassen, ein Puzzle auf der Basis der Provinzeneinteilung von 1833 einrichten zu sollen. Es kam zu dem berühmten „café para todos“: jedem kleinen Territorium ein bisschen sogenannte Autonomie. Der Dezentralisierungsgedanke (der die Alliierten bei der Bundesländereinteilung geleitet hatte) wurde damit ins Gegenteil verkehrt. Das französische Modell der Departamentalisierung, das die jakobinische Vorherrschaft der Hauptstadt Madrid zementierte, war denkbar ungeeignet, das katalanische, baskische und galicische Problem zu lösen.

Der zweite gravierende Fehler war, dass der erste demokratische Entwurf der spanischen Verfassung unter der drohenden Präsenz des nachfranquistischen Militärs und eines eventuellen Militärputsches (wie er denn auch am 23. Februar 1981 von Tejero tatsächlich versucht wurde) sofort wieder zentralistisch zurückgefahren wurde und die vorgesehenen Kompetenzübertragungen („transferencias“) von der Zentralregierung auf die „Autonomien“ nur halbherzig in die Verfassung aufgenommen wurden und auf jeden Fall so unscharf formuliert waren, dass einer Rückkehr zum Zentralismus weiter Auslegungsspielraum offen blieb.

Die demokratische Aufbruchsstimmung unter der ersten sozialistischen spanischen Regierung hatte die Katalanen veranlasst, bei einem Neuaufbau eines demokratischen spanischen Staates kräftig mitzuwirken. Doch seit der Jahrtausendwende wurde, zunächst nur Einzelnen, bald aber auch einem größeren Teil der Bevölkerung und jetzt inzwischen der Mehrheit der Landesbevölkerung klar, dass Katalonien in eine Falle getappt ist. Dass sich der Weg eines Zusammengehens mit dem immer noch im tiefsten zentralistisch fühlenden Spanien als Sackgasse erweist. In letzter Zeit bricht die vehemente antikatalanische Einstellung der Mehrheit der Spanier derartig unverblümt zu tage, dass die Mehrheit der Katalanen, einschließlich der eingewanderten Spanier, überzeugt ist, dass Spanien an einem multikulturellen Staat nicht interessiert ist.

Es stellt sich für jeden immer deutlicher heraus, das ein Großteil des spanischen Establishments von jeher gegen die Dezentralisierung gewesen ist und nur für eine Weile stille gehalten hatte. Mit Macht und in Gestalt der rechtslastigen sogenannten „Volks“partei, die am Regierungssteuer ist, versucht Spanien das Ruder zurückzuwerfen. Man hat ein Gesetz verabschiedet, das ein Referendum, das die Volksmeinung über die politische Zukunft demokratisch abfragt, unter Strafe stellt. Das spanische Verfassungsgericht ist politisch besetzt und entscheidet parteiisch und hat dadurch alles Prestige verspielt. Die Entscheidungen dieses Verfassungsgerichts sind sogar schon als rassistisch kritisiert worden, weil einem spanischen Kind in der Schule mehr Rechte als einem katalanischen Kind zugesprochen wurden. Die Regierung kann jedenfalls damit rechnen, dass alle antikatalanischen und zentralisierenden Gesetze bei diesem Gericht durchgehen und dass alle Versuche Kataloniens, die spanische Verfassung im Sinne ihrer ersten Verfasser anzuwenden, abgeschmettert werden.

Gesetze, die das spanische Parlament mit absoluter Mehrheit laufend beschließt, schnüren Katalonien immer mehr den Hals zu. Besonders an die katalanische Sprache und das katalanische Schulsystem wird Hand angelegt. Der spanische Erziehungsminister (den es wie im deutschen Bundesstaat garnicht geben dürfte) regiert in die Kompetenzen Kataloniens hinein und hat erklärt, sein Ziel sei es, die katalanischen Schüler wieder zu „spanisieren“. (Es klingt nach Francos Dekreten, als er in Katalonien einmarschierte.) Er tritt damit (und mit voller Rückendeckung durch die spanische Regierung) in ein in Katalonien besonders heikles Fettnäpfchen. Die Hasstiraden von Spaniern gegen Katalanen im Internet nehmen kein Ende und selbst spanische Politiker geben Äußerungen gegen Katalonien von sich, die sich weit unter einem europäschen Mindeststandard von politischem Niveau bewegen.

Was in spanischen Zeitungen täglich über Katalonien geschrieben wird, ist hanebüchen. Eine Gruppe junger Spanier, die sich mit zum Hitlergruß erhobenen Armen abbilden lassen, will alle Balkone, die die katalanische Unabhängigkeitsflagge tragen, fotografieren und mit Adressen auflisten, damit die Guardia Civil nach dem ersehnten Umschwung in Spanien sogleich weiß, wen sie verhaften muss. Viele Katalanen sehen keinen Sinn mehr daran, mit solchen Nachbarn in einem Staat zusammenzuleben. Eine junge Andalusierin, Mel Dominguez, die in Katalonien wohnt, hat ein Video bei youtube eingestellt („A mi me hablas en español“), in dem sie gegen die blinde Katalanophobie der Spanier (z. B. auch die ihres Vaters) protestiert. Das Video hatte in 10 Tagen zwei Millionen Besucher. Daraus kann man entnehmen, welche Unruhe und Protest der spanische Hass hervorruft.


Finanzausgleich: statt Solidarität Ausbeutung

Was aber das Fass zum Überlaufen gebracht hat, ist die staatliche Umverteilung der Steuereinnahmen auf die einzelnen „autonomen“ Gemeinschaften Spaniens. Nach jahrelangem Druck hatten das Finanz- und Wirtschaftsministerium endlich die Zahlen bekanntgegeben, wie das Steueraufkommen in Spanien verteilt wird. Dabei stellt sich klar heraus, dass Katalonien seit Jahrzehnten systematisch um seinen wirtschafltichen Ertrag geprellt wird, und dass Spanien seit Jahrzehnten auf Kosten Kataloniens lebt. Die Katalanen haben es jetzt schwarz auf weiß, dass 9 bis 10 % ihres Sozialprodukts statt in ihr Land und in ihre Infrastrukturen investiert zu werden, dazu dienen, um in Spanien Flugplätze zu bauen, die dann keine Fluggesellschaft anfliegt. 39 Flughäfen in Spanien sind im Defizit – mehr als Deutschland überhaupt Flugplätze hat. Schnellbahnlinien wurden radial von Madrid aus ins ganze Land gebaut, um es an seine Hauptstadt zu binden. Doch einzelne Strecken mussten schon wieder stillgelegt werden, weil nur noch 5 Passagiere pro Zug das Angebot nutzten. Spanien hat das größte Schnellbahnbauprojekt Europas. Nur die Linien, die Katalonien benötigt, sind um ein Jahrzehnt verzögert worden.

Der Bau der Mittelmeerschnelltransporttangente Gibraltar-Alacant-València-Barcelona-Perpinyà und weiter nach Lyon-Frankfurt-Schweden wird von Madrid boykottiert, weil Europa aus Kostengründen abgelehnt hat, sie über Madrid zu leiten (Madrid liegt eben nicht am Mittelmeer!). Autobahnen werden in Spanien außerhalb Kataloniens ohne Maut benutzt, weil aus Steuergeldern gebaut. In Katalonien wird jeden Tag den Benutzern das Geld aus der Tasche gezogen. Katalanen zahlen also mit ihren Steuern, dass die spanischen Autobahnen gratis befahren werden können, werden aber im eigenen Lande für jeden Kilometer zur Kasse gebeten.

Zu der Geldverschwendung an sich kommt die Tatsache hinzu, dass Katalonien in eine wirtschaftliche Notlage gebracht wird, die von Madrid verschuldet ist. Katalonien wäre restlos schuldenfrei, wenn es über sein eigenes Geld verfügen könnte. Die gravierenden Einsparungen im katalanischen Gesundheitswesen, die jeder Katalane am eigenen Leib spürt, wären unnötig. Ebenso unnötig wie die Gehaltskürzungen in allen Bereichen. Übrigens ist das Baskenland tatsächlich schuldenfrei, weil es seine Steuergelder selbst eintreibt, wie es Katalonien auch tun möchte. Musste die ETA existieren, damit das Baskenland besser gestellt wurde, als Katalonien? Es ist offensichtlich: Katalonien hat sich bei der Festlegung der Staatsstrukturen nach dem Ende der Diktatur von Madrid über den Tisch ziehen lassen.

Die Schulden, die Madrid allein in den letzten zwei Jahren in Bezug auf gesetzlich und haushaltsmäßig festgelegte Verpflichtungen gegenüber Katalonien aufgehäuft hat, gehen schon wieder in die Milliarden – abgesehen von den 18 Milliarden, die Madrid jährlich aus dem katalanischen Steueraufkommen in politisch genehme Regionen Spaniens umleitet und umverteilt. Von einem solidarischen Finanzausgleich nach bundesrepublikanischem Muster kann hier nicht mehr die Rede sein, da es sich um zehnfach höhere Summen handelt, was in Deutschland das Solidaritätssystem zum Platzen gebracht hätte.

Aus alledem geht hervor: Spanien hat nicht das geringste Interesse, am Verhältnis mit Katalonien etwas zu ändern. Die katalanische Wirtschaftsleistung soll weiterhin dazu dienen, die Finanzen Spaniens zu retten und die wirtschaftlichen Fehlentscheidungen zu decken. Dies kann man wirtschaftstechnisch nur noch so bezeichnen: Katalonien soll weiterhin als Kolonie für Spanien dienen.


Katalonien steht mit dem Rücken zur Wand

Katalonien hat keinerlei auf spanische Gesetze gestützte Hebel in der Hand, um diese Situation zu ändern. Ob die Europäische Union in diese Ausbeutungssituation einzugreifen bereit ist, ist mehr als ungewiss. Denn es ist unsicher, ob die EU für ein gesund wirtschaftendes Katalonien als möglichem mediterranen Musterstaat ein dann marodes Spanien in Kauf nehmen würde. Ob die internationalen Gerichtshöfe sich auf eine Klage Kataloniens gegen Spanien einlassen würden, ist ebenso unsicher.



Kataloniens demokratische Rechte

Was Katalonien allein in der Hand bleibt, sind demokratische Grundmanifestationen, Wahlen, Demonstrationen, Abstimmungen. 2010 gingen 1 Million Katalanen auf die Straße, um gegen die finanzielle und identitäre Drangsalierung durch Spanien zu protestieren. Am 11. September 2012, dem katalanischen Nationalfeiertag, waren es über 1,5 Millionen, die unter dem Lemma „Katalonien, ein neuer Staat in Europa“ demonstrierten. Jedes Jahr gab es erneut diese Demonstrationen, die sich 2013 in Form einer 400 km langen Menschenkette von den Pyrenäen zum Ebre, am 11. September 2014 mit einem Sieges-V auf den größten Transversalalleen Barcelonas und am 11.9.2015 sogar mit 2 Millionen Teilnehmern manifestierten.

Bei den Wahlen am 25.11.2012 wurden mit einer ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung 87 von 135 Abgeordneten gewählt, deren Parteien ein Referendum zur Unabhängigkeit oder eine Loslösung von Spanien befürworteten. In dem inofiziellen Referendum vom 9. November 2014 zeigten 2,3 Millionen Wähler bürgerlichen Ungehorsam gegen den spanischen Staat, der den Wahlgang verboten hatte. 80 % von ihnen wählten ein „Ja“ für die Unabhängigkeit. Ein unübersehbares Votum gegen die von Spanien geltend gemachten Besitzrechte an Katalonien, die jede demokratische Entscheidung mundtot machen sollen. Immer verbohrter igelt sich Spanien in diese Position ein und merkt, dass ihr immer mehr Felle davonschwimmen.

Es ist möglich, dass eine mehrheitliche Erklärung eines neuen katalanischen Parlaments die einseitige Loslösung von Spanien erklärt. Dann werden die Juristen miteinander zu kämpfen haben. Hoffentlich wird dann die internationale Presse, deren Korrespondenten fast alle in Madrid sitzen, nicht, wie bisher meist, nur den Madrider Standpunkt vertreten. Es scheint jedenfalls durchaus möglich, dass Spanien Katalonien verlieren wird.

Die Kulturkomptenz der Spanier aller Generationen reicht nicht aus, um ein multikulturelles Spanien zu akzeptieren, in dem z. B. Katalonien auf gleicher Augenhöhe mit Spanien stehen kann.


Prof. Dr. Tilbert Dídac Stegmann und Diplocat

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Betr. “Katalanen proben die Unabhängigkeit” von S. Bastaroli, Die Presse 24.09.15

Sehr geehrte Damen und Herren,

Erlauben Sie mir folgende Bemerkungen über den o.g. Artikel:

-Die radikale Linken gehören nicht zu der “Mas bunte Anti-Spanien-Koalition”. Ein Teil davon (CUP) hat eine eigene Liste, die auch für die Unabhängigkeit ist. Der Rest der radikale Linke hat sich mit den spanischen Partei Podemos einer anderen Liste angeschlossen, die sich für den Verbleib in Spanien ausspricht.

-Aus Brüssel ist nur gesagt worden, was eine Selbstverständlichkeit ist: dass Katalonien nicht automatisch Mitglied der EU bleibt. Aber die meisten Experten (natürlich nicht die von den spanischen Regierung) meinen, dass aus vielen Gründen die Verhandlungen über die neue Admission Kataloniens in der EU sehr rasch erfolgen würden. Auch der Anschluss an den Binnenmarkt ginge keineswegs verloren. Notfalls könnte ein bilateraler Vertrag (Wie bei Norwegen oder die Schweiz) aushelfen.

-Das neue Autonomiegesetz wurde 2011 nicht nur als Verfassungswidrig deklariert weil Katalonien darin als Nation bezeichnet wurde. In Wirklichkeit wurden als Verfassungswidrig eine Reihe von Artikeln des Gesetzes, die für Katalonien viel grössere Kompetenzen bei Finanz, Wirtschaft, Bildung und Kultur bedeuteten. Dadurch wurde die katalanische Autonomie bis zur Lächerlichkeit demontiert.

-Gekränkter Stolz, anders als bei den Spaniern, spielt für den Katalanen keine Rolle. Wohl aber die ständige Beschneidung der katalanischen Kompetenzen in allen Bereichen und die Vernachlässigung der katalanischen Infrastruktur zugunsten des Baus leere Flughäfen, unrentablen Bahnlinien und aufgeblähte Verwaltungen (während Katalonien die spanische Region mit den geringsten Beamtenzahl je 1000 Einwohner ist.)

Mit freundlichen Grüße

Pere Grau
Hamburg

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Freitag, 25. September 2015

Wäre ein unabhängiges Katalonien wirtschaftlich überlebensfähig?


Am Sonntag finden in Katalonien "plebiszitäre" Regionalwahlen statt. Fünf Millionen stimmberechtigte Katalanen sind aufgerufen, indirekt über die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien zu entscheiden.
Die Einheitsliste separatistischer Parteien "Junts pel Si" kann mit einer knappen absoluten Mehrheit rechnen. Doch neben Nationalgefühlen spielen für viele Katalanen vor allem die wirtschaftlichen Folgen einer Unabhängigkeit eine entscheidende Rolle für ihre Stimmenabgabe.
Katalonien erholt sich wie der Rest Spaniens nur langsam von der Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit liegt immer noch bei über 22 Prozent. Somit rücken vor allem zwei Fragen zum Ende der Wahlkampagne in den Mittelpunkt sämtlicher Diskussionen: Was kostet die Unabhängigkeit? Und ist ein unabhängiges Katalonien wirtschaftlich überhaupt überlebensfähig?

Katalanische Politik für Katalanen

Die Antwort des separatistischen katalanischen Regionalpräsidenten Artur Mas (CDC) ist eindeutig: Ein katalanischer Staat vertritt die Interessen der Katalanen besser als die spanische Zentralregierung, die seit Jahren mit einer katastrophalen Wirtschaftspolitik auf die Krise reagiert und nicht die Investitionen in Katalonien macht, die nötig sind, um die Krise zu überwinden.
"Die Popularität unserer Unabhängigkeitsbewegung ist selbstverständlich mit dieser wirtschaftlichen Frage verbunden, gerade für die jungen Generationen. Wir brauchen die Unabhängigkeit, um die juristischen und wirtschaftlichen Werkzeuge zu haben, die Krise zu überwinden", erklärt auch Jordi Sanchez, Vorsitzender der Katalanischen Nationalversammlung ANC. Die Bürgerbewegung gehört neben den beiden großen separatistischen Parteien zur treibenden Kraft der Unabhängigkeitsbewegung.

Teure neue Staatsstruktur

"Niemand weiß, ob Katalonien alleine schneller die Krise überwunden hätte. Ich bezweifle das. Wir wissen aber, dass ein unabhängiges Katalonien einen enorm hohen Schuldenausgleich mit Spanien zu begleichen hätte. Zudem müssten sie den kostspieligen Aufbau neuer Staatsstrukturen tragen, was die beginnende Überwindung der aktuellen Krise in Katalonien um Jahre oder Jahrzehnte zurückwerfen würde", erklärt der spanische Wirtschaftsexperte Jose Piquer von der Madrider IE University.
Die separatistische Regionalregierung ist sich der schwierigen Ausgangslage bewusst. Die Kosten sind schlecht zu schätzen. Alles hängt davon ab, wie die Verhandlungen mit Madrid nach der Unabhängigkeit über Schulden, Steuern und Pensionen enden. Fraglich ist auch, ob sich Katalonien eine Armee leisten würde und ob man neues Geld drucken muss oder den Euro behalten kann. Elisenda Paluzie, Wirtschaftsexpertin und Kandidatin des separatistischen Parteienbündnisses "Junts pel Si", schätzt die Kosten auf bis zu 202 Milliarden Euro. "Durch die Einbehaltung der bisher nach Madrid abzugebenden Steuern, die größtenteils nicht zurückfließen, sondern in strukturschwächeren Regionen Spaniens landen, stünden Katalonien jährlich über zwölf Milliarden Euro mehr zur Verfügung", gibt Paluzie allerdings zu bedenken.

Würde Katalonien in der EU bleiben?

Auch andere Wirtschaftsexperten sind sich sicher, dass Spaniens wirtschaftsstärkste Region, die rund 20 Prozent des spanischen Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet und mit seinen 7,5 Millionen Einwohnern 16 Prozent der spanischen Bevölkerung ausmacht, auf lange Sicht wirtschaftlich überleben kann.
Doch das hängt davon ab, ob Katalonien auch weiterhin in der EU und im Euroraum bleiben kann, sollte es sich einseitig für unabhängig erklären. Das Problem: Die spanische Zentralregierung will ein Unabhängigkeitsreferendum und eine Abspaltung Kataloniens nicht zulassen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versicherte noch am Dienstag, Katalonien würde bei einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung nicht nur automatisch aus der EU fliegen, sondern habe auch gar nicht das Recht, die Unabhängigkeit auszurufen, weil dies gegen die spanische Verfassung verstoße.
Bei der zu erwartenden Frontalkonfrontation zwischen Madrid und Barcelona dürften nur wenige EU-Staaten, aber auch andere Länder wie die USA, nicht bereit sein, wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Katalonien aufzubauen, versichert Jose Piquer.

Bis zu 35 Prozent Arbeitslosigkeit

Kataloniens Bank würde damit der Zugang zu Hilfen der Europäischen Zentralbank versperrt. Heute überlebenswichtige EU-Fördergelder für Bauern, Industrie und andere Wirtschaftszweige würden ebenfalls wegfallen. Auch die internationalen Investitionen gingen laut verschiedenen Finanzexperten bei einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung extrem zurück. Von den katalanischen Exporten, die in EU-Staaten mit Zöllen belegt werden müssten, nicht zu reden. In einem solchen Panorama würde die Arbeitslosigkeit auf bis zu 35 Prozent klettern können, so Fachleute.
Die Möglichkeit, aus der EU auszuscheiden, macht viele Wähler nun zu Recht nervös und damit auch die Separatisten. Jüngster Beweis: Auf die Ankündigung des spanischen Notenbankchefs Luis Maria Linde, Katalonien würde bei einer Abspaltung den Euro und die EU-Mitgliedschaft verlieren, antwortete Mas mit der Möglichkeit, dass Katalonien vielleicht einfach nicht mehr seine Schulden mit Spanen begleichen könnte.

Quelle: Format

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