Samstag, 24. November 2012

Erster Brief: Nach vorne schauen




Wie können wir uns französisch fühlen wenn wir Deutsche sind?.
Kann das Gefühl der Zusammengehörigkeit gegenüber einer Bevölkerung, mit der wir soziale Identität teilen, geändert werden?.
Jeder einzelne von uns ist an einem Ort geboren und aufgewachsen, in der er gelernt hat, seine Gefühle und Gedanken in seiner Muttersprache auszudrücken.
Alle Völker kommunizieren also untereinander in einer gemeinsamen Sprache, die sich von der Sprache der Anderen unterscheidet. Diese bestimmte Art sich auszudrücken eröffnet die Möglichkeit, sich mit seinesgleichen zu unterhalten und prägt sowohl die Kommunikation als auch die Art, wie man mit Menschen interagiert. Deshalb verbindet uns mit unserem Volk eine Art zu reden, zu denken, zu fühlen und zu sein. Ein Volk ist jedoch nicht eine Gruppe von gleichsprachigen Menschen. Chinesisch oder Englisch als Mittel zur internationalen Kommunikation verwandelt einen Franzosen, Deutschen oder Russen nicht in ein Volk.
Ein Volk ist eine Gruppe von Menschen die nicht nur ihre Muttersprache, sondern auch ihre Kultur und Geschichte miteinander teilen. Manchmal sogar teilen sie ihre Wünsche und Träume, wie in diesem Moment mein Volk, Katalonien.
Ich schreibe diesen Artikel für alle Menschen, die in Deutschland geboren wurden, die ihre Sprache, Kultur und Geschichte, die sie manchmal gerne teilweise vergessen würden, teilen.
Seit ich in Deutschland lebe, ist mir etwas deutlich geworden:
Das Bewusstsein der Geschichte eines Volkes wird von einer Generation zur Nächsten weitergegeben. Jeder Sohn, jede Tochter, Enkel oder Enkelin bewahren es in sich.
Das deutsche Volk jedoch, die Kinder oder Enkel von früheren Nationalsozialisten, bewahren dieses Bewusstsein nicht, sondern tragen es als Last mit sich, während sie es so gut wie möglich zu unterdrücken versuchen.
Es tut einem sehr Leid zu sehen wie Unschuldige die Last einer Schuld tragen, für die sie nicht verantwortlich sind. Sie ertragen die Scham für etwas, was ihre Vorfahren taten.
Über diese zwei nach dem Nationalsozialismus geborenen Generationen (der Ersten gehört mein Mann, der Zweiten mein Sohn an), möchte ich ein wenig sprechen:
Die Erwachsenen sind mit der Schwierigkeit aufgewachsen, nicht über die Vergangenheit genau informiert worden zu sein und diese trotzdem bewältigen zu müssen, in einer Gesellschaft, die von Neuen mit einem demokratischen Charakter begonnen hatte, in der Toleranz und Respekt gegenüber den Menschenrechten die Grundvoraussetzungen sind.
Sie sind auch geprägt von einer kritischen Sicht, dem Bedürfnis, sich eine eigene Meinung zu bilden, der Tiefsinnigkeit, von geregelten Abläufen und vor allem von dem Recht, Vertrauen zu verdienen. Andere Züge sind Verantwortungsbewusstsein und der Wunsch, die Dinge richtig zu machen.
Die Kinder genießen eine Gesellschaftsstruktur die ihr Wohlsein priorisiert, aus ihnen Persönlichkeiten mit Prinzipien und Werten machen möchte, in dem sie ihnen eine moralische, intellektuelle, musikalische und sportliche Bildung und Erziehung ermöglicht und anbietet, die so vollständig und gesund ist, wie nur möglich.

Die heutige deutsche Gesellschaft glaubt und lebt eine Demokratie. Das bis jetzt Erreichte verdient die Anerkennung vieler liberaler Länder.
Diese erfolgreich bewältigte Aufgabe ist ebenfalls ein Teil der deutschen Geschichte, denn wir schreiben die Geschichte eines Volkes jede einzelne Minute weiter. Mit der aktuellen demokratischen Position ermöglicht Deutschland seinen Nachkommen ein neues geschichtliches Bewusstsein. Es ist ein schönes Geschenk, sich dafür anzustrengen, in Zukunft den Menschen die Möglichkeit zu geben, stolz auf ihre Nationalität und ihr Land zu sein.
Als eine seit 13 Jahren in Deutschland lebende Katalanin, wundert und beunruhigt mich, dass ein großer Teil der Deutschen mein Volk, Land und Kultur nicht kennt. Ich hoffe, dass sobald das deutsche Volk informiert ist, es sich gegen die antidemokratische spanische Denkweise und ihre Folgen einsetzt.
Auch wenn Spanien eine Nation ist, die sich durch Eroberungen anderer Völker vergrößert hat, bedeutet das nicht, dass sie das Recht besitzt, auf diese zu treten, denn keine Nation besitzt dieses Recht.
Die spanische Regierung hat die eroberten Kulturen unterdrückt, sie hat versucht diese verschwinden zu lassen, sie hat sie ausgenommen und ausgenutzt, das Spanisch, von ihnen bezeichnet als „die Sprache des Imperiums“, aufgezwungen, und handelt noch heute weiter auf eine von allen demokratisch denkenden Länder nicht akzeptierbaren Art.
Ich bin überzeugt, dass Deutschland eins dieser Länder ist.
Ich möchte mich für die Unterstützung, Toleranz und den uns gegenübergebrachten Respekt von Seiten des Gymnasiums meiner Kinder bedanken. Wir durften alle zusammen nach Barcelona fliegen, um gemeinsam mit unserer Familie, Freunde und fast zwei Millionen Katalanen für unsere Unabhängigkeit zu demonstrieren.
Der Klang unserer Lieder, unseren Rufen nach Freiheit und Gerechtigkeit, erfüllten die Straßen unserer Hauptstadt. Kinder auf den Schultern ihrer Eltern oder in Kinderwägen, ältere Menschen in ihren Hausschuhen, gestützt auf ihrem Gehstock, Rollstuhlfahrer. Überall wo man hinblickte die „estelada“, unsere Flagge für die Unabhängigkeit Kataloniens, Schilder, Trommeln, „castellers“... Millionen von Herzen voller Wünsche und Vertrauen.
All dies erfüllte die Straßen unserer Heimat, denn das katalanische Volk glaubt an die Demokratie und möchte ein Teil von ihr sein. In Frieden und Freiheit.
Ich hoffe, dass eines Tages der Moment kommt, in dem mein Sohn eine deutsche Flagge mit dem gleichen Frohsinn und Stolz emporheben kann, wie er es am 11. September in Barcelona mit unserer „estalada“ tat. Ich wünsche mir, dass der Tag kommt, an dem er ohne Schamgefühl oder Schmerz beide Flaggen, eine in jeder Hand, hochhalten kann, denn ich weiß, dass sein Herz zweier Völker angehört: dem Deutschen und dem Katalanischen. Denn wir werden nicht aufhören dafür zu kämpfen, ihm viele Gründe zu geben, stolz darauf zu sein, wer er ist und wem er entstammt.
Anna Mallorqui Quintana

Übersetzung: Aida Hugas Mallorqui
Englisch-Version  hier

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