Samstag, 8. Dezember 2012

Europäische Solidaritäten: Wie Spanien seit 1986 durch Europa finanziert wurde

Als Spanien 1986 Mitglied der EU wurde, war dies der Startpunkt einer beispiellosen Förderung des damals vollkommen verarmten spanischen Staates. Zwanzig Jahre nach Beginn der Zahlungen kamen Miguel Ángel Benedicto Solsona und José Luis González Vallvé in dem Buch von 2006: „Die größte Solidaraktion der Geschichte – Chronik der Zahlungen der EU an Spanien“ zu dem Schluss, dass „Spanien [...] zu dem Land [...] geworden [ist], das seit Menschengedenken die meisten Solidarzahlungen von anderen Ländern erhalten hat.“ In der Tat ist die Summe von € 118 Milliarden, die Spanien bis 2006 von Europa erhielt, dreimal so hoch wie die Aufwendungen im Rahmen des Marshallplanes, die alle europäischen Länder zusammen nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten. Addiert man die € 42 Milliarden hinzu, die Spanien zusätzlich bis 1999 aus den Agrarfonds abschöpfte, erhöht sich die Summe auf € 160 Milliarden. Rechnet man weitere Zahlungen und die Änderung des Gegenwertes des Euro mit ein, so sieht die Bilanz folgendermaßen aus:

Finanzbilanz Spaniens mit der EU, Zeitraum 1986 – 2006:
Zahlungen der EU an Spanien: € 211,00725 Milliarden
Zahlungen Spaniens an die EU: € 117,65666 Milliarden
Nettoeinnahmen Spaniens: € 93,35059 Milliarden

Ist Europa der größte Geldgeber Spaniens?.
 Spanien schöpft jedoch nicht nur aus Europa Geld ab, sondern hat darüber hinaus den steuerlichen Aderlass Kataloniens zum Prinzip erhoben. Katalonien muss jährlich 8 bis 10 % seines Bruttosozialprodukts an die Zentralregierung abtreten. Das sind 18 bis 20 Milliarden € bzw. € 2857 „Soli“, die jeder Einwohner Kataloniens im Jahr an Madrid zahlen muss. In Deutschland wäre ein solcher Geldtransfer verfassungswidrig. Laut Grundgesetz können höchstens 2 % des Bruttosozialprodukts eines Geberlandes in den Solidartopf gefordert werden. Zur Zeit geben Bayern und Hessen 0,9 % bzw. 0,8 %. Zum Vergleich:
Finanzbilanz Spaniens mit Katalonien, Zeitraum 1986 – 2006:
Saldo der für Restspanien verwendeten Steuereinnahmen Kataloniens,
Zeitraum 2002 – 2006: € 92,777Milliarden;
Zeitraum 1986 – 2001: € 72,328 Milliarden.
Saldo des durch den spanischen Staat aus Katalonien abgeschöpften Bruttosozialprodukts 1986 – 2006: € 165,507 Milliarden.

Rechnet man die jährlichen Zahlungen seit 2006 mit ein, ergibt sich mit der Summe von € 265 Milliarden ein Betrag, der Benedictos und Gonzálezs „größte Solidaraktion der Geschichte“ weit in den Schatten stellt: 7 Millionen Katalanen haben seit 1986 pro Kopf 73-mal soviel für Spanien aufgewandt wie die 285 Millionen Europäer. Die aus der Francodiktatur in die Demokratie überführte spanische „Sitte“, auf katalanische Kosten zu leben, weist Katalonien die Rolle einer auszubeutenden inneren Kolonie zu – mit fatalen Folgen für die katalanische Wirtschaft. Die von den großen Parteien und dem rechtslastigen Verfassungsgericht in Madrid zentralistisch ausgelegte spanische Verfassung macht es unmöglich für Katalonien, diesem Aderlass zu entkommen. Auch die jüngsten Versuche wurden vom spanischen Parlament abgeschmettert. Eine wachsende Mehrheit der Katalanen sieht jetzt nur noch in der Erklärung der Unabhängigkeit und der Gründung eines eigenen Staates die Möglichkeit, ihre Zukunft zu retten.

Til Stegmann

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